Weltwassertag 2024: eine globale Perspektive auf Herausforderungen und Lösungen
22. März 2024 / Dr. Christian Schauer
Am 22. März ist Weltwassertag. Er wurde von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Wasser zu schärfen und Maßnahmen zur Bewältigung der globalen Wasserkrise zu fördern. Das Motto des diesjährigen Weltwassertags lautet: "Water for Peace". Ein wichtiger Aspekt dabei ist, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um die Bedürfnisse aller Menschen in Bezug auf sauberes Trinkwasser zu erfüllen. Die Herausforderungen im Bereich der Wasserversorgung, angefangen bei der globalen Verteilung von Trinkwasser bis hin zu den Rollen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, sind groß und können nur über Länder und Kontinentgrenzen hinweg gelöst werden.
Die globale Wasserkrise: Eine Bestandsaufnahme
Unser Planet ist reich an Wasser: Etwa 70 Prozent sind mit dem blauen Nass bedeckt. Das entspricht rund 1,4 Milliarden Kubikkilometern Wasser, also 1,4 Trilliarden Liter. Als Zahl: 1.400.000.000.000.000.000.000. Allerdings ist nur ein winziger Bruchteil davon bedenkenlos genießbar: Nur knapp 2,5 Prozent des Wasservorrats der Erde sind trinkbares Süßwasser. Tatsächlich wäre dieser geringe Teil der Gesamtmenge trotzdem für alle Menschen ausreichend – wenn er gleichmäßig verteilt wäre. Das verfügbare Trinkwasser könnte Schätzungen zufolge sogar eine Erdbevölkerung von rund 20 Milliarden Menschen versorgen, sodass von einer globalen Wasserknappheit theoretisch nicht die Rede sein kann.
Und dennoch haben laut Unicef rund zwei Milliarden Menschen weltweit keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Dabei ist dieser laut dem Sustainable Development Goal 6 (SDG 6) der Vereinten Nationen ein grundlegendes Menschenrecht. Die Folgen dieses Mangels sind verheerend: Hungersnöte und Binnenmigrationen sind nur zwei von vielen Konsequenzen.
Durch den Klimawandel wird die bestehende Ungleichverteilung noch weiter verschärft. Extremwetterereignisse wie Dürren und Überschwemmungen treten häufiger auf, was die Verfügbarkeit von Trinkwasser in vielen Regionen beeinträchtigt. Steigende Temperaturen führen darüber hinaus zu einer erhöhten Verdunstung und einem schnelleren Abschmelzen der Gletscher, was langfristig zu einem Rückgang der verfügbaren Süßwasservorräte führt.
Vor dem Hintergrund des raschen Bevölkerungswachstums wird die Dringlichkeit einer gerechten Verteilung von Trinkwasser noch deutlicher. Mit etwa 8 Milliarden Menschen auf der Erde heute und einer prognostizierten Weltbevölkerung von voraussichtlich 10 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2080, muss das vorhandene Wasser auf noch mehr Menschen verteilt werden, was die ohnehin bestehenden Herausforderungen noch akuter macht. In Anbetracht dieser Herausforderungen wird klar, dass ein Umdenken und kollektives Handeln erforderlich sind, um die kostbare Ressource Trinkwasser gerecht zu verteilen und zu schützen.
Die Rolle der Wirtschaft: Verantwortung übernehmen für den Wasserfußabdruck
Ein beträchtlicher Teil des globalen Wasserfußabdrucks entfällt auf die Wirtschaft. Insbesondere Sektoren wie die Energieversorgung, der Agrarsektor und die Industrie müssen derzeit noch große Mengen an Wasser für ihre Produktions- und Betriebsprozesse nutzen, was zu einer erheblichen Belastung der Wasserressourcen führt.
Das bedeutet aber auch, dass die Wirtschaft damit über einen großen Hebel verfügt, um mit innovativen Verfahren den Trinkwasserfußabdruck zu reduzieren. Neben der direkten Frischwasserentnahme verantworten Unternehmen dabei zudem das sogenannte virtuelle Wasser. Es bezeichnet das Wasser, das über eine gesamte Lieferkette hinweg – etwa in der Produktion von Lebensmittel, Kleidung oder industriellen Gütern – genutzt wird. Das virtuelle Wasser fließt in den Wasserfußabdruck ein, den jedes Produkt hinterlässt.
Laut einem Bericht der UN-Welternährungsorganisation (FAO) ist beispielsweise die Landwirtschaft für etwa 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs verantwortlich. Gleichzeitig ist sie global betrachtet von entscheidender Bedeutung für die Nahrungsmittelproduktion.
Hier findet sich also ein beträchtlicher Hebel zur Reduzierung des Wasserfußabdrucks, der bereits mit Nachdruck verfolgt wird. Die Einführung ressourcenschonender Bewässerungssysteme wie die Tröpfchenbewässerung ist beispielsweise nur eine von mehreren Innovationen, um den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft zu reduzieren und gleichzeitig die Erträge zu steigern. Bei der Tröpfchenbewässerung wird das Wasser direkt an den Wurzeln der Pflanzen abgegeben, wodurch Verdunstungsverluste minimiert werden. Im Vergleich zur herkömmlichen Bewässerungsmethode, bei der große Mengen Wasser über Felder oder Plantagen verteilt werden, kann die Tröpfchenbewässerung den Wasserverbrauch um bis zu 50 Prozent reduzieren. Darüber hinaus trägt sie zur Verbesserung der Bodenqualität und zur Vermeidung von Bodenerosion bei.
Neben der Tröpfchenbewässerung gibt es bereits weitere innovative Methoden und Technologien, die im Agrarsektor eingesetzt werden, um den Wasserverbrauch zu minimieren. Dazu gehören beispielsweise Wasserrecycling-Systeme, die Sammlung und Speicherung von Regenwasser sowie die Verwendung von bodenschonenden Anbaumethoden wie Mulchen und Agroforstwirtschaft. Neueste Forschungsergebnisse zeigen auch vielversprechende Entwicklungen im Bereich der präzisen Landwirtschaft (Precision Farming) sowie dem Einsatz von Drohnen zur Überwachung und Optimierung von Bewässerungssystemen.
Durch die gezielte Förderung und Umsetzung innovativer Bewässerungstechnologien kann die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Wassermanagement leisten. Gerade mit Blick auf das prognostizierte Bevölkerungswachstum wird es immer wichtiger, dass der Agrarsektor wo immer möglich auf ressourceneffiziente Praktiken umstellt, um den steigenden Wasserbedarf zu bewältigen und gleichzeitig die globale Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Wassereinsatz im verarbeitenden Gewerbe
Die Industrie ist ein weiterer bedeutender Akteur im Wasserverbrauch. Laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entfallen weltweit etwa 19 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs auf industrielle Zwecke.
Um den industriellen Wasserverbrauch zu reduzieren, investieren viele Unternehmen bereits in moderne Technologien und Verfahren. So setzen Industrieunternehmen zunehmend auf sparsame Prozesstechnik oder Kreislaufsysteme. Diese stellen eine effektive Methode dar, um bereits genutztes Wasser wiederaufzubereiten und erneut in den Produktionsprozess einzuleiten. Durch die Wiederverwendung von Wasser können Industrieunternehmen nicht nur ihren Frischwasserverbrauch erheblich reduzieren, sondern auch die Umweltbelastung durch Abwasser verringern.
Ein weiterer Bereich, in dem die Industrie ihre Wassernutzung reduzieren kann, ist die Verwendung von Trinkwasser als Kühlwasser in industriellen Anlagen. Hier können neben der Nutzung von Regenwasser zunehmend innovative Lösungen wie die Aufbereitung und Nutzung von Brauchwasser als Kühlwasser zum Einsatz kommen. Dies verkleinert nicht nur den Bedarf an frischem Trinkwasser, sondern trägt auch zur Effizienzsteigerung in industriellen Prozessen bei. Darüber hinaus setzen Industrieunternehmen vermehrt auf die Implementierung von Wassermanagement-Systemen, die eine präzise Überwachung und Steuerung des Wasserbedarfs in verschiedenen Produktionsprozessen ermöglichen.
Dabei sind die verstärkten Bemühungen der Industrie, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren, nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Durch die Senkung der Betriebskosten und die Minimierung von Umweltbelastungen können Unternehmen langfristig von nachhaltigeren Praktiken profitieren. Eine Herausforderung bei der Umsetzung dieser Maßnahmen ist jedoch die internationale Inflation sowie der bestehende Kostendruck – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Denn Investitionen in wassersparende Technologien und Wiederverwendung sind eingangs oftmals mit hohen Kosten verbunden sein.
Angesichts dieser Herausforderungen kann die Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft helfen, den Wandel im Umgang mit der Ressource Wasser zu steuern, zu fördern und zu begleiten. Durch gezielte Maßnahmen und Anreize kann die Politik Unternehmen dabei unterstützen, ihren Wasserfußabdruck zu reduzieren und zur Sicherung der globalen Wasserversorgung beizutragen.
Die Rolle der Politik: Internationale Zusammenarbeit und nachhaltige Strategien
Die Dringlichkeit des Themas Trinkwasser wird bereits auf höchster politischer Ebene diskutiert, insbesondere im Rahmen der SDGs der Vereinten Nationen. So widmet SDG 6 sich explizit der Sicherstellung einer nachhaltigen Verfügbarkeit von Wasser und Sanitärversorgung für alle. Zudem haben viele Staaten angesichts der weltweit reduzierten regionalen Verfügbarkeit von Trinkwasser eigene Strategien entwickelt, um dieser Herausforderung zu begegnen.
Doch trotz dieser Bemühungen stoßen nationale Strategien oft an ihre Grenzen. Wasser ist eine Ressource, die keine nationalen Grenzen kennt. Daher braucht es internationale Zusammenarbeit, um gemeinsam das Wasser zu nutzen, das zur Verfügung steht. Diese Zusammenarbeit ist entscheidend, um den Schutz der Lebensgrundlage Trinkwasser zu gewährleisten, sowohl hinsichtlich der Mengen, die genutzt werden (dürfen), als auch bezüglich des Eintrags von Schadstoffen ins Grundwasser.
Ein Beispiel für die Dringlichkeit lieferte die EU-Kommission, als sie Anfang März in ihrer “Mitteilung über die Bewältigung von Klimarisiken in Europa” feststellte, dass die Kosten einer unzureichenden oder verzögerten Umsetzung einer integrierten Wasserbewirtschaftung unbezahlbar sein werden. Gleichwohl hat die Kommission selbst im Februar 2024 die Vorlage ihrer Wasser-Resilienz-Initiative auf unbestimmte Zeit verschoben. Die im September 2023 von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte EU-Initiative soll die immer häufigeren Dürre- und Überschwemmungsperioden bekämpfen, die in ganz Europa verheerende Auswirkungen haben und mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden.
Ein weiteres Anliegen betrifft die geringe Berücksichtigung der Wasserpolitik in einigen politischen Programmen. Insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament ist es erwähnenswert, dass in einigen Wahlprogrammen das Thema Wasser nicht behandelt wird. Dabei sollte Wassermanagement bei den kommenden Europawahlen eine wichtige Rolle spielen, um die Herausforderungen der Wasserkrise anzugehen.
Gleichzeitig ist es wichtig anzuerkennen, dass einige südeuropäische Länder bereits Fortschritte bei der Bewässerung mit aufbereitetem Wasser gemacht haben. Im Sinne einer umfassenden Betrachtung der Ressource Trinkwasser ist es ratsam, dass die restlichen europäischen Länder Maßnahmen entwickeln oder vorhandenen Lösungsansätzen folgen. Bei der Umsetzung der EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung könnte eine Erweiterung über die Mindestbedingungen hinaus von den Mitgliedsstaaten in Betracht gezogen werden. Die globale Wasserkrise erfordert entschlossenes Handeln auf politischer Ebene. Wenn Regierungen auf der ganzen Welt zusammenkommen und konkrete, internationale Maßnahmen ergreifen, um die Wasserversorgung für alle Menschen zu sichern, kann die Ressource Wasser nachhaltig geschützt werden.
Die Rolle der Gesellschaft: Bewusstsein schaffen und Verantwortung übernehmen
Politik und Wirtschaft stehen vor enormen Herausforderungen, wenn es darum geht, allen Menschen Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser zu ermöglichen, auch wenn sie gemeinsam daran arbeiten. Doch auch Bürgerinnen und Bürger sollten sich in puncto Trinkwasser mit internationalen Herausforderungen und regionalen Auswirkungen vertraut machen.
Insbesondere in wohlhabenden Industrieländern, in denen Menschen sich bisher selten oder nie Gedanken um die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser machen mussten, braucht es dafür ein Umdenken. Bildungsprogramme und Kampagnen können dabei helfen, das Bewusstsein für die Bedeutung des verantwortungsvollen Umgangs mit Wasser zu schärfen. Hierbei ist es wichtig, die Verbindung zwischen unserem eigenen Handeln und den globalen Auswirkungen aufzuzeigen.
Wasser ist eine begrenzte Ressource, und der Schutz der Wasserqualität und -verfügbarkeit ist entscheidend für das Wohlergehen von Mensch, Tier und Umwelt. Indem auch Privatpersonen Wasser bewusst nutzen, tragen sie dazu bei, die Wasserressourcen für künftige Generationen zu erhalten.
Der Weltwassertag 2024 ist ein guter Anlass, um die dringende Notwendigkeit von gemeinsamen Anstrengungen zur Bewältigung der globalen Wasserkrise zu betonen. Durch eine koordinierte Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kann ein positiver Wandel herbeigeführt und sichergestellt werden, dass sauberes Trinkwasser für alle Menschen auf der Welt zugänglich ist.
Unser Autor und seine Quellen
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2023): Abschlusserklärung
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2019): Wasser - Die Quelle von Entwicklung
- BUND (2022): Bund fordert nachhaltige Bewässerung.
- WEITERE (u.a.): UN-Water │ water footprint network │ Weltagrarbericht